Interessengemeinschaft Modellbahn Kaarst eV

 
 
 

Hafen-Anlage / bauberichte / brücke

Eine bewegliche Eisenbahnbrücke im Hafen - Teil 2

Text und Bilder: Heinrich

In diesem zweiten Teil meines Bauberichtes geht es um die Antriebstechnik des Brückenmodelles, also um all jene Dinge, die sich hinter den Kulissen abspielen und daher für den Betrachter der Anlage im Allgemeinen nicht sichtbar sein werden. Bevor wir uns aber dem Modell zuwenden, sollten wir noch einen kurzen Blick auf das Vorbild werfen, denn das Vorbild ist das Maß der Dinge.

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Vorbild

Die Vorbild-Hubbrücke hat die Aufgabe, im Bedarfsfall den verhältnismäßig flachen Binnenschiffen Durchlass zu gewähren. Hierfür kann der Brückenhub auf wenige Meter beschränkt bleiben. Aufwändige seitliche Masten und sichtbare Hubeinrichtungen (mit Seilen o.ä.), wie man sie aus Seehäfen kennt, sind daher weitgehend entbehrlich. Der begrenzte Brückenhub macht unter anderem den Einsatz von Hydraulikzylindern möglich, welche an beiden Brückenenden angeordnet und mittels einer Rohrleitung verbunden sind.

Die Hydraulikzylinder sind jeweils senkrecht in Kammern eingelassen und drücken die Brücke nach oben. Typischerweise sind die Hydraulikzylinder vor Witterungseinflüssen geschützt und daher praktisch kaum erkennbar. Die Rohrverbindung der Hydraulikzylinder untereinander stellt sicher, dass stets mit der gleichen Kraft auf beiden Seiten der Brücke "gedrückt" wird. Der Druck wird durch ein im Inneren eines Maschinenturmes angeordnetes Gegengewicht aufgebracht. Dadurch ist die Brücke fast ausbalanciert. Ein erstaunlich kleiner Elektromotor von nur 19 kW (!) genügt, um das Gegengewicht nach unten und damit die ca. 240 t schwere Brücke nach oben zu bewegen. In ca. 90 Sekunden kann die Brücke so um 4,2 m angehoben werden.

Als Hydraulikflüssigkeit kommt bei unserem Vorbild übrigens kein Öl, sondern Wasser zum Einsatz, das mit einem Frostschutzmittel versehen ist. So kann u.a. bei einer Undichtigkeit im Hydrauliksystem eine Gewässerverunreinigung vermieden werden.

Damit die Brücke bei ihrer Hubbewegung stets waagerecht bleibt und nicht verkanten kann, sind mechanische  Gleichlaufeinrichtungen eingebaut. Bei unserem Vorbild ist dies eine über die Brücke verlaufende Gleichlaufwelle, auf der an jedem Brückenende ein Zahnrad befestigt ist. Diese Zahnräder greifen in ortsfeste vertikale Zahnstangen ein.

Man sieht, dass beim Vorbild (übrigens erbaut in den Jahren 1896 bis 1900) so einiges bedacht wurde. Dafür hat die inzwischen stillgelegte aber zum Glück denkmalgeschützte Brücke aber auch jahrzehntelang treu und zuverlässig funktioniert. Dies musste sie auch, denn bei einem Versagen des Antriebes wären entweder Schiffe auf einem Kanal oder Eisenbahnfahrzeuge im Hafen eingeschlossen worden… oder sogar beide.

Erste Gedanken zum Modell

Wenn wir als Modellbahner eine neue Lokomotive kaufen und sie aufs Gleis setzen, erwarten wir, dass sie sich "butterweich", leise und ohne zu Taumeln in Bewegung setzt. Wenn die Lok sich dann auch noch bis zu einer langsamen, vorbildgerechten Höchstgeschwindigkeit feinfühlig regeln lässt, sind wir glücklich :-)

So wollten wir das bei der IGM-Kaarst im Prinzip auch bei unserer Modellbrücke haben. Erst ganz langsam beschleunigend, dann mit gleichmäßiger Hubgeschwindigkeit arbeitend soll sie oben angelangt weich abbremsen und natürlich auch sicher oben bleiben. Ein Taumeln oder Wackeln der Brücke muss vermieden werden. Das würde wie bei einer Lokomotive die Illusion von Masse und Kraft völlig zerstören. Ebenso muss die Brücke dabei natürlich stets waagerecht bleiben. Und was für die Aufwärtsbewegung gilt, muss natürlich auch bei der Abwärtsbewegung funktionieren.

Am Ende der weich abgebremsten Abwärtsbewegung muss die Modellbrücke, genau wie beim Vorbild, wieder exakt dort anhalten, wo sie ursprünglich nach oben "losgefahren" war, damit der nächste Zug sie ohne Probleme und ohne Wackeln an den Schienenstößen passieren kann.
Da sich unsere Hafenanlage für Ausstellungen leicht auf- und abbauen lassen soll, wollten wir zudem, dass sich die Inbetriebnahme und Justage der Brücke sehr einfach durchführen lässt. Mit Seilen, Riemen, Rädchen oder Schräubchen, die sich unterhalb der Anlage befinden und sich nur mit ungesunder Körperhaltung justieren lassen, war das nicht zu machen.

Beschreibung der Antriebslösung

Wer schon einmal einem 3D-Drucker bei der Arbeit zugesehen hat, wird bemerkt haben, dass dieser seine Düse sehr präzise und schnell an die gewünschte Stelle bringen kann. Das macht er mit Hilfe so genannter Schrittmotoren (Werkbild der Firma Adafruit).

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Diese Schrittmotoren machen bei einem Eingangsimpuls immer genau "einen" definierten Schritt. Mit unseren Motoren in den Lokomotiven haben diese Motoren kaum etwas gemeinsam. Man könnte sie auch Schrittmagnete nennen. Sie finden im Internet bei Wikipedia sehr gute Beschreibungen, die auch die Antwort auf die Frage geben, warum ein Schrittmotor 4 Anschlusskabel hat.

Verbreitet sind z.B. Schrittmotoren, die für eine Umdrehung 200 Schritte benötigen. In Verbindung mit einem Spindelantrieb bekommt man damit eine große Genauigkeit hin. Nimmt man dazu z.B. ein Gewinde M6 mit einer Steigung von 1 mm, hebt sich unsere Brücke mit einem Puls also ganze 1/200 mm = 0,05 mm. Das sollte uns für unsere Hubbrücke reichen!

Nimmt man für jede Brückenseite einen solchen Antrieb und versorgt beide Schrittmotoren mit der gleichen Anzahl von Pulsen, wird sich unsere Brücke gleichmäßig auf beiden Seiten bewegen. Sorgt man nun dafür, dass die Pulse erst langsam, dann etwas schneller und schließlich wieder langsamer aufeinander folgen, kann man die Brücke "weich" anfahren und abbremsen. Mechanische Verbindungen zwischen den Brückenseiten (Ketten, Riemen oder Wellen) braucht man auf diese Weise nicht (da sind wir weiter als das Vorbild :-)

Elektronische Ansteuerung

Wer nun glaubt, er müsse ein Elektronikstudium absolvieren, sieht sich getäuscht. Auch der Lötkolben kann erst mal kalt bleiben. Die gesamte Steuerung unserer Brücke erfolgt mit einem Arduino. Auf dieser ca. 15 bis 20 Euro teuren Platine ist erstaunlicherweise schon fast alles, was wir benötigen. Sie enthält als zentrales Bauteil einen Microcontroller, den Sie als kleines quadratisches Bauteil in der Mitte der Platine erkennen können. Vom Schlagwort Microcontroller sollten Sie sich aber nicht abschrecken lassen.

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Der Arduino kann über ein USB-Kabel mit einem PC verbunden und von diesem aus programmiert werden. Die PC-Software dazu ist gratis. Mit Hilfe eines der inzwischen zahlreichen Bücher sowie der riesigen Flut von Beispielen und Tutorials aus dem Internet ist die Einarbeitung nicht allzu schwer. Man kann alles in Ruhe am Küchentisch Schritt für Schritt ausprobieren.

Für unsere Brücke mit ihren beiden Schrittmotoren wird als zweite Komponente noch ein Motorshield (ca. 20 EUR) benötigt. Das ist eine Platine, die auf Anweisung des Arduino die notwendigen Pulse mit der notwendigen Leistung bereitstellt. Sie kann einfach - ohne zu löten - auf den Arduino aufgesteckt werden. Die passende Software(bibliothek) dazu ist ebenfalls gratis (Werkbild der Firma Adafruit).

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Als dritte Komponente kommt noch ein kleines 2 zeiliges LCD-Display hinzu. Damit haben wir später alle Betriebszustände im Blick… auch ohne den PC. Gesteuert wird diese Anzeige ebenfalls vom Arduino. Eine solche Anzeige ist flexibler, eleganter und im Endeffekt billiger als eine Reihe von Anzeigeleuchten (LEDs), die man zudem auch noch aufwändig verkabeln und beschriften müsste.

Abschließend benötigt man noch einige Taster, um die Brücke dann auch einfach bedienen zu können. Um alles sicher zu verbinden, habe ich die Anschlüsse auf eine dritte Platine, einem Protoshield, gelötet; der Lötkolben musste also doch angeheizt werden. Das Protoshield habe ich zwischen Arduino und Motorshield gesteckt. Hier ein unbestücktes Protoshield mit seinen noch nicht eingelöteten "Beinchen".

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So ist eine eventuelle Fehlersuche einfacher und sowohl Arduino als auch Motorshield können, falls nötig, lötfrei ausgetauscht werden. Sicherheitshalber habe ich das Motorshield ganz nach oben gepackt und noch einen kleinen Kühlkörper auf das Treiber-IC geklebt, weil dort etwas Wärme entstehen könnte. Die vielen Kabel erzeugen den Eindruck, dass das alles furchtbar kompliziert ist. Dieser Eindruck täuscht aber.

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Im folgenden Bild sehen wir, wozu die Kabel benutzt werden. Alle Kabelverbindungen zu den Antrieben und Signalen sind gesteckt. So kann man einzelne Komponenten leicht ausbauen und warten.

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Anmerkung: Die Brücke ist übrigens mein allererstes "Arduino-Projekt" … aber sicher nicht das letzte.

Antriebsmechanik (grobe Beschreibung)

Man kann so etwas für sehr viel Geld kaufen oder wie hier selbst bauen. Bis auf die Schrittmotoren (ca. 20 EUR/St.) und die Kupplungen (3 EUR/St.) bekommen Sie praktisch alles im heimischen Baumarkt.

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In ein Aluminium-Rechteck-Hohlprofil passt man 2 Gleitstücke aus Kunststoff (PA) ein, so dass diese gerade leicht gleiten, aber nicht wackeln. Auf eine kleine vorgebohrte Messingplatte lötet man eine Messingmutter M6 auf und längt zwei Röhrchen (z.B. Alu) auf 80 mm ab. Mit zwei Messinggewindestangen (M4) und 4 Muttern schraubt man nun das Ganze zu einem Führungsstück zusammen und steckt dieses in das eingangs erwähnte Aluminiumprofil. Es sollte sich leicht verschieben lassen. Mit einer Stahl-Gewindestange M6, einer elastischen Kupplung und einem Schrittmotor ist der Antrieb damit im Prinzip fertig. Trotz der elastischen Kupplung sollte alles gut ausgerichtet auf einer Platte montiert werden.

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Komplettiert wird diese Einheit mit zwei kleinen Tastern und einem Sub-D-Stecker.  Die beiden Antriebseinheiten kann man auf diese Weise gut auf dem Küchentisch testen und erst wenn alles gut funktioniert unter die Anlage schrauben.

Mechanik der Brückenlager

Das Arbeitsprinzip der Brückenlager ist folgendes: Die Brücke wird in den Brückenlagern seitlich metallisch geführt und liegt lose nur auf Stellschrauben auf. So kann sie ohne die Antriebe einmalig in der Anlage justiert werden. Man kann die Brücke von Hand anheben und wieder absetzen und sie kommt immer wieder an der gleichen Stelle zu liegen. Die Lager sind mit sogenannten Einführschrägen versehen. Das bedeutet, dass man die Lager beim Einlegen der Brücke nicht genau treffen muss. Auch die Antriebseinheiten werden übrigens später von sich aus nicht dafür sorgen, dass die Lager beim Ablegen der Brücke genau getroffen werden.

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Das folgende Bild zeigt die von Hand eingelegte Brücke. Die Antriebe sind noch nicht montiert.

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Erst wenn das Ablegen von Hand funktioniert, werden die Antriebseinheiten montiert. Dies erfolgt so, dass sie eigentlich ca. 2-4 mm "zu tief" eingebaut werden. Das bedeutet, dass der Antrieb erst 2-4 mm Hubbewegung durchführen muss, bis er die Brücke von unten berührt und sie weiter mit nach oben nimmt. Bei Abwärtsfahrt legt der Antrieb die Brücke genauso wieder ab, wie wir es zuvor per Hand gemacht haben. Die Brückenposition ist so von den Antrieben völlig entkoppelt. Es ist also belanglos wie genau die Antriebseinheit in der Anlage eingebaut wurde.

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Nun haben wir aber 2 Antriebe, einen rechten und einen linken. Unweigerlich wird es natürlich Unterschiede zwischen der Position des rechten und des linken Antriebes geben. Das bedeutet, dass stets ein Antrieb als erster die Brücke berührt und mitnimmt. Die Brücke läge also bei der Bewegung etwas schräg auf den Antrieben auf. Das wäre unschön.

Nun kann man aber einmalig beim Aufbau der Anlage die Brücke mit den Antrieben etwas anheben und dann einen der beiden Antriebe (Schrittmotore) kurz außer Betrieb setzen. Mit dem anderen Antrieb fährt man jetzt ein wenig auf oder ab, bis die Brücke waagerecht steht. Nun aktiviert man wieder beide Antriebe und fährt die Brücke in ihre untere Lage. Beide Antriebe fahren jetzt den gleichen Betrag weiter, ohne dass man etwas mechanisch justieren muss. Beim nächsten Brückenhub wird die Brücke auf beiden Seiten gleichmäßig erfasst. Diesen Vorgang habe ich durch eine entsprechende "Benutzerführung" auf dem Display weiter vereinfacht. Er ist damit beim Aufbau der Anlage in einer Minute erledigt. Niemand muss dazu unter die Anlage kriechen.

Benutzerführung

Hat man bei der Programmierung des Arduino einmal Blut geleckt, kommen unweigerlich weitere Ideen. Man kann diese verwirklichen, ohne dass man weitere Hardware kauft oder wieder alles auseinander baut. Das ist das Schöne bei der Programmierung. So entstand eine einfache, intuitive Benutzerführung.

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Mit der schwarzen Modus-Taste kann man sich zwischen 4 verschiedenen Modi durchtasten.  

  1. Normalbetrieb
    Durch einmaliges Betätigen einer der beiden grünen Tasten fährt die Brücke in ihre obere oder untere Endlage. Die grünen Tasten müssen dazu nicht gedrückt gehalten werden. Noch einfacher geht es nicht.
  2. Anmerkung: Im Normalbetrieb werden die kleinen oberen und unteren Endtaster an den Antriebseinheiten nicht benutzt. Die Steuerung merkt sich stets, wo sich die Brücke gerade befindet und kann dadurch auch immer rechtzeitig und vorbildgerecht "bremsen". Die Endtaster an den Antrieben haben ansonsten nur eine Notfunktion. Für eine einfache Hubbewegung von ca. 70 mm benötigt die Brücke ca. 30 Sekunden.

  3. Handfahrt
    Auch hier fährt man die Brücke mit den grünen Tasten nach oben oder unten. Man muss aber die jeweilige Taste gedrückt halten. Die Bewegung der Brücke kommt beim Loslassen der Taste augenblicklich zum Stillstand. Diesen Modus kann man immer mal brauchen.

  4. Nullpunkt suchen
    Die Antriebe werden hierbei automatisch einige Millimeter über den unteren Endtastern (am Antrieb) positioniert. Das ist dann der Nullpunkt, den sich die Steuerung merkt. Ansonsten haben die Endtaster keine betriebliche Funktion mehr.

  5. Nothalt
    Die Brücke bleibt augenblicklich dort stehen wo sie gerade ist. Die grünen Tasten sind hier funktionslos (mit der roten Taste gelangt man übrigens stets ohne Umweg in diesen Modus). Ich habe den Modus Nothalt und nicht Notaus genannt, weil die Steuerung hier nicht vom Strom getrennt wird.

  6. Justieren rechts/links
    Dieser Modus wird nur erreicht, wenn man den Schalter links umlegt. Dadurch wird einer der Antriebe stillgesetzt. Mit den grünen Tasten kann man nun die andere Brückenseite sehr langsam nach oben oder unten bewegen. Legt man den Schalter  wieder um, so gelangt man automatisch wieder in den Modus Normalbetrieb. Die Steuerung "weiß", dass sie den Motor bei diesem Modus sehr langsam bewegen muss. Hier ist ein Schrittmotor in seinem Element.

Abschließende Bemerkungen und Ausblick

Der Bau der Hubbrücke ist ein interessanter Ausflug in den Funktionsmodellbau. Sowas kann man bei einer Modellbahnanlage insbesondere bei einer Hafenanlage immer mal wieder gebrauchen.

Verglichen mit der einschlägigen Modellbahnelektronik ist ein Arduino Massenware und entsprechend preiswert. Die Beschäftigung damit ist sowohl inhaltlich reizvoll als auch finanziell sehr lohnend. Die Kosten für die Brücke samt Antriebstechnik und Steuerung liegen deutlich unter denjenigen für eine analoge H0-Dampflokomotive.

Ach ja, das hätte ich fast vergessen:  Natürlich wird "Arduino" nebenbei auch die Brückensignale für Schiffe und Eisenbahn steuern. Da sind wir aber noch nicht ganz fertig.
"Fertig" ist übrigens ein Wort, das wir bei der IGM eigentlich nur selten hören.

Last but not least:
Die ersten offiziellen Hubbewegungen hat unsere Hubbrücke übrigens vor wenigen Tagen am 1.6.2016 unter den sehr kritischen Augen einiger IGM-Vereinsmitglieder vollführt. Genau an diesem Tag wurde auch der neue Gotthard-Basistunnel eröffnet.